Vergangenheit und Zukunft

Nachdem unsere vier Freunde nach einer langen Wanderung im letzten Blog endlich Feth erreichten, mussten sie nach einer erholsamen Nacht eine ungewöhnliche Entdeckung machen: Es gibt keine männlichen Einwohner von Feth. Um dieser Tatsache mal auf den Grund zu gehen, führt ihr erster Weg heute zu Jarlsfrau Konstanze, von der sie sich einige Informationen erhoffen.
Konstanze reagiert sehr bedrückt auf ihre Nachfrage und wimmelt diese so ein wenig ab. Sie verweist auf Fiona, die am besten informiert sei. Den Wink verstehen sogar unsere sozial inkompetente Truppe und sie stiefeln zwei Häuser weiter zu Fiona. Auch sie fühlt sich bei der Nachfrage sichtlich unwohl, bittet sie allerdings in ihr bescheidenes Haus. An einem runden Tisch nehmen sie Platz und Fiona beginnt zu erzählen:

„Die Geschichte beginnt vor vielen Jahren. Zu diesem Zeitpunkt waren wir noch nicht alles alte Damen, sondern standen noch mitten im Leben. Gerda war gerade schwanger geworden und auch einige andere planten noch Kinder. Zu dieser Zeit geschah es, dass Negril, der Jäger des Dorfes, plötzlich verschwand. Zunächst war dies nicht ungewöhnlich, da Negril des Öfteren lange auf Jagd war und auch mal teilweise länger unterwegs war als angekündigt. Doch dieses Mal vergingen nicht nur ein oder zwei Tage mehr, sondern Wochen. Das verunsicherte uns im Dorf immer mehr und seine Frau Margret natürlich noch mehr. Daher vereinbarte der Dorfrat, dass ein Suchtrupp nach Negril suchen sollte. Hierfür wurden unsere besten Männer ausgewählt, die Negrils Spuren folgen sollten. Doch kaum war der Suchtrupp los, geschah das nächste Unglück.“
Hier muss Fiona schlucken und Tränen steigen in ihren Augen auf. Nur ein leises Wort kommt aus ihrem Mund gehaucht: „Oskar“. Unsere Freunde warten geduldig, bis sich Fiona wieder gefangen hat, und schließlich spricht sie weiter: „Oskar war mein Liebster, und ich habe ihn seitdem nie wieder gesehen, und auch der Suchtrupp kam ohne neue Ergebnisse zurück. Wir waren alle sehr verunsichert und mahnten uns, bloß gut aufeinander aufzupassen. Doch eines Nachts verschwand plötzlich Ronald, der Mann von Carla-Theresia. Wir wussten, dass wir etwas unternehmen mussten, und begannen, Wachen für die Nacht aufzustellen. Für einige Monate geschah dann nichts weiter, und wir dachten, wir hätten den Fluch besiegt. Doch es war nur eine Pause des Grauens.“
Wieder schluckt Fiona und diesmal ringt sie sichtlich um ihre Fassung. Sie wischt sich ihre feuchten Augen und erzählt weiter: „Fast neun Monate nach dem Verschwinden von Negril erwischte es meinen Ahring, meinen Sohn, der an dieser Nacht mit der Wache dran war. Also verdoppelten wir die Wachen, damit diese aufeinander aufpassen konnten. Wieder pausierten die Angriffe, aber es war nicht vorbei. Kasimir und Nil, die Männer von Konstanze und Gerda, hielten gemeinsam Wache, und trotzdem verschwand Nil. Kasimir, unser Jarl zu dieser Zeit, berichtete von einer Gefühllosigkeit, die ihn tagelang nicht losließ. An große Teile der Nacht konnte er sich nicht mehr erinnern. Als Wachkollege und Jarl fühlte er sich aber verpflichtet, sich auf die Suche nach Nil zu machen. Trotz unserer Widerrede zog er mit seinem Sohn Konrad los, um zumindest nach Spuren zu suchen. Tja, auch sie sahen wir nie wieder. Telohren war nun der letzte Mann im Dorf, und da er der Sohn unserer Wahrsagerin Isabel war, hielten wir es erst für möglich, dass sie ihren Sohn mit irgendwelchen höheren Mächten schützen würde. Doch auch Telohren war nicht vor dem Fluch geschützt.“
Fiona hält kurz inne, bevor sie weiterspricht: „Dann eines Morgens wachten wir alle erst sehr spät auf. Wir alle hatten ein ganz seltsames Gefühl. Wir spürten nichts außer unsere Emotionen. Den Wind im Gesicht, die Hand auf dem Arm, das warme Essen im Mund – nichts davon konnten wir wahrnehmen. Einige von uns kannten dieses Gefühl, da es des Öfteren auftauchte, wenn wieder einmal ein Mann verschwunden war. Doch an diesem Tage fühlten es alle. Draußen war es bereits am Dämmern und da sah ich es: Eine einsame Kerze, die auf unserem kleinen Brunnen vor sich hin brannte. Ich musste gar nicht mit Isabel reden, um zu wissen, dass es jetzt auch ihren Telohren erwischt hatte. Wir versammelten uns trauernd auf dem Marktplatz. Doch wir alle waren wie tot, keine Emotionen, kein Gespräch, nur Fassungslosigkeit und Angst. Irgendwann fragte Konstanze uns dann, ob wir auch eine Perle auf dem Kissen unserer verschwundenen Männer gefunden hätten, und tatsächlich – jede Verbliebene erhielt eine Glasperle pro verlorenen Mann oder Sohn. Insgesamt haben wir acht Männer verloren und somit nun acht Glasperlen. Merkwürdigerweise zeigen fünf dieser Perlen ein Kreuz und drei einen Kreis. Wir wissen nicht, ob dies irgendeine Bedeutung hat…“
Und dann verstummt Fiona. Eine drückende Stille breitet sich zwischen ihnen aus, und Fiona starrt wie versteinert mit glasigen Augen durch den Raum. Unsere vier bedanken sich bei ihr und verlassen nachdenklich die Händlerin.
Auf dem kleinen Marktplatz blicken sie sich schweigend an, bevor Theo vorschlägt, dass es vielleicht sinnvoll sein könnte, mit der Wahrsagerin Isabel zu reden. Seine drei Freunde stimmen ihm zu und so laufen sie ein paar Meter über den kleinen Platz und klopfen vorsichtig an die Tür der Wahrsagerin. Ein rauchiges „Herein“ dringt aus dem kleinen Häuschen, und langsam betreten sie einen bunt ausgeschmückten Raum. Überall hängen wirre Tücher, Gardinen und getrocknete Blumen. Mehrere Räucherstäbchen verbreiten einen unausstehlichen Geruch im gesamten Raum und lassen Kel, Aldric und Löwenzahn direkt wieder aus dem Geschäft fliehen. Theo aber hält durch und wird von einer kleinen Frau in einem lila Gewand begrüßt. Noch bevor Theo irgendeine Frage stellen kann, beginnt Isabel damit, Theos Zukunft vorauszusagen. Mit großen Bewegungen fängt Isabel an herumzufuchteln, und Wörter platzen aus ihrem Mund hervor. Schließlich blickt sie Theo mit verdrehten Augen an und wimmert: „Blitze, durchzogen von roter Wut“.
Diese Aussage lässt Theo zunächst innehalten, obwohl er wirklich keine Ahnung hat, was diese ihm sagen soll. Doch dann besinnt er sich darauf, warum er eigentlich hier ist: neue Informationen über Grete zu kriegen. Doch ob Isabel Theo wertvolle neue Informationen geben kann oder ihn sofort rausschmeißt, erfahrt ihr erst in zwei Wochen bei einem weiteren Blog Arkanthia Pen and Paper.
